PRINCESS PARI _ .i.n.b.e.t.w.e.e.n. theatre & shamanism

 

PRINCESS PARI

transcultural Theater_in_between Seoul - Berlin

Ein Encounter zwischen 4 koreanischen und 3 deutschen Schauspielerinnen.
Eine Theater-Recherche zum koreanischen Ursprungsmythos der ersten Schamanin Koreas - Prinzessin Pari.

Premiere: 24. September 2005
WERKSTATT DER KULTUREN Berlin,
Eröffnung des Festivals „Shamanism Now“
im Rahmen der Asien-Pazifik-Wochen Berlin

 

Inszenierung Dietmar Lenz
Text Dietmar Lenz, Stine Schulz
Choreografie Soogi Kang, Kyu-Man Shim
Raum Yoshio Yabara  / Dietmar Lenz
Kostüme Yoshio Yabara / Gregor Klages
Electronic Music Zam Johnson
Life Percussion Soogi Kang, Kyu-Man Shim
Licht-Design Dietmar Lenz / Angelo Teixeira
Dramaturgie Harald Harzheim / Stine Schulz
Fotos Francisco Conde
   
Schauspielerinnen Carola Grot
Alexandra Hökenschnieder
Young-Nam Jang
Ae-Ran Lee
Jee-Ha Lee
Hee-Jung Song
Lale Weisshaar
   
Unterstützt von

Hauptstadtkulturfonds Berlin
Haus der Kulturen der Welt Berlin
Deutsche Klassenlotterie
Korean Ministry of Foreign Affairs
Korean Ministry of Culture and Tourism

Eine Produktion von

THEATER SALPURI Berlin
THEATER IN BETWEEN Seoul
WERKSTATT der KULTUREN Berlin.

 

Ein Encounter mit dem Mythos der Prinzessin Pari, die als Kind vom Vater verstoßen, 
dieses Trauma überwindet, indem sie in der „Unterwelt” zur ersten Schamanin initiiert wird.
 Der Beruf der Schamanin, als performatives Medium der Götter und Geister, 
in Analogie zur Schauspielerin, die sich zum Medium ihrer Rolle macht, 
eine imaginäre Persönlichkeit „verkörpernd”. Beides Praktiken, die Ästhetisches und 
Therapeutisches verbinden, die „verstorbene” Seele aus der „Unterwelt” zu holen.

9 Wochen Encounter in Berlin zwischen vier koreanischen Schauspielerinnen aus Seoul und drei Schauspielerinnen aus Berlin

9 Wochen Trans-Lation von Deutsch nach Koreanisch, von Koreanisch nach Deutsch

9 Wochen, die die Sprache, das Sprechen auf die schiefe Bahn brachten und sie etwas Anderes sagen, oder hören ließen als bisher

9 Wochen, die das Verhältnis zwischen Ich und Du, zwischen unterschiedlichen Wahrnehmungen und Kulturpraktiken ins Oszillieren brachten

9 Wochen Encounter mit Themen, die der Ursprungsmythos der Schamanen aus Korea vorgab : woher komme ich, das eigene Kind verstoßen, Verstoßen-Sein, Verhältnis Tochter und Vater, das Aushalten des Ich-Todes, Gabe und Hingabe, der Spiegel der Liebe, die Wasser des Lebens

9 Wochen, die interkulturelle Kommunikationsröhren öffneten: nahe Fremde und fremde Nähe

 

Princess Pari – die verstoßene Prinzessin
Der Ursprungsmythos des koreanischen Schamanismus „Princess Pari“ wird von einer Schamanin innerhalb der CHINOGI-KUT genannten Schamanen-Toten-Zeremonie gesungen, die der Seele des Verstorbenen die Tore zum Jenseits öffnen will. Bevor die Schamanin die Seele aus dieser Welt führt, gewährt diese Zeremonie der Seele des Toten, wie auch den Hinterbliebenen, eine „Ruhepause“ (kor. Malmi). In dieser Zwischen-Zeit, dieser Leere zwischen Leben und Tod, kleidet sich die Schamanin in das regenbogenfarbene Kostüm einer Prinzessin und singt in einem EPIC SHAMAN SONG von einem König, der, in Erwartung eines Thronnachfolgers, die unwillkommene siebte Tochter PARI von sich stößt in das Meer des Blutes jenseits der gelben Quellen. Sie wächst auf in Dunkelheit, eingeweiht in buddhistisch-schamanistische Praktiken. Ein Subjekt des Risikos, auf/jenseits der Grenze, außerhalb der symbolischen Ordnung, in Liebe zum eigenen Werden. „Tanzend im Schatten ihrer Verneinung“ durchstößt PARI auf ihrer Unterwelt-Reise die Tore der Höllen, findet das Wasser des Lebens, mit dem sie ihren verstorbenen Vater wieder zu Leben erweckt. „Ein Königreich ist nicht von Dauer. Ich möchte die Königin der Mudang, der Schamanen werden, zum Heil der Menschen“, so die letzten Worte dieses Schamanen-Epengesangs. Auf der Null-Linie, dem Unendlichen zugewandt, zeichnet die Schamanin das Sinnbild eines trans- formatorischen Subjekts, das sich selbst aufrichtet, indem es sich dem Nicht-Sein, dem Unbekannten entgegenwirft: eine Hymne an die „Unzerstörbarkeit des Lebens“ (K. Kerènyi).  „The shaman goes beyond entertainment reaching the core of the culture“ (Schechner).  In die Gestalt von PARI einzutreten, bedeutet, eine “Kultur des Übergangs“ zu praktizieren zwischen Raum, Vision und Körper, zwischen Leben und Tod, zwischen dem Menschen und dem Heiligen. Sich mit dieser Figur in Berührung zu bringen, bedeutet, nach dem Verhältnis von Souveränität und Würde im Akt des Sich-Selbst-Gebens zu fragen. Dietmar Lenz
 

 

Auszug aus dem Mythos "Die verstoßene Prinzessin"

Der Strom der Zeit floss dahin.
Der Wind blies den Winter,
blies den Frühling,
blies die drei Monde des Sommers hinweg,
da eilte die erste Zofe zum König:
“Holt das Orakel, holt das Orakel!“

Denn der Königin schmeckte der dampfende Reis plötzlich wie roh;
das Wasser, das sie trank, hatte den Geschmack von Erde;
und die Suppe erschien ihr wie unreife Bohnenpaste.
Die Zeichen mütterlichen Glücks!
Sie schlief unter seidenen Decken, ihr Kopf ruhte auf goldenen Kissen.
Der Wind wehte durch das Ost-Fenster,
doch hatte sie nicht mehr die Kraft sich zu erheben.
Es war, als würden die Hüften ihr schmelzen.

Der Meister des Großen Wissens aus dem Tempel Unter dem Himmel
warf die Stäbchen aus Korallen auf ein Tablett von weißer Jade.

Der erste Wurf zeigte das Schwirren der zehntausend Geister.
Der zweite Wurf zeigte das Urteil der oberen und der unteren Tore.
Der dritte Wurf ergab die Antwort,
die wirklich das Anliegen des Königs betraf.

„Hätte der König im Jahr des großen Glücks geheiratet“,
sprach das Orakel,
„so würde ihm ein königlicher Nachkomme geschenkt.
Doch da er in einem Jahr – verschlossen für das große Glück – geheiratet,
wird sein erstes Kind ein Mädchen sein.“

„Sind auch die Gaben Eurer Prophetie zu bewundern...
Doch was wisst Ihr denn schon?!“, gab der König zur Antwort.
Im neunten Mond hielten die Hebammen sich bereit - - -
da nahm die Königin beiseite ihre perlengeschmückten Kissen,
und nach einer schönen Geburt wendete sie sich zu ihrem Neugeborenen
es war eine Prinzessin.

„Wenn sie eine Prinzessin zur Welt bringen kann,
warum nicht auch einen Prinzen?“, sprach der König
und gab seiner ersten Tochter den Namen Roter Pfirsich-Mond.

Textfassung: Dietmar Lenz